Alkoholprobleme und Trinkdruck frühzeitig erkennen und professionelle Hilfe annehmen zu können, sind die ersten wichtigen Schritte um die Alkoholabhängigkeit in den Griff zu bekommen. Wilfried T., 74 Jahre (Name von der Redaktion geändert) spricht vertrauensvoll und anonym über die Entwicklung der Alkoholabhängigkeit und seine früheren Trinkgewohnheiten. Heute wünschte der ehemalige Salesmanager sich, dass er schneller an das Thema rangegangen wäre.
Wie hat sich bei Ihnen die Alkoholabhängigkeit entwickelt?
Als Vertriebsmitarbeiter für hochwertige Medizinprodukte und Großkunden war ich für die letzten 15 Arbeitsjahre vor meinem Ruhestand sehr viel auf Dienstreisen in Osteuropa unterwegs. Flugzeuge, Hotels, Messen, Dienstessen und Verkaufsgespräche in Hotellobbys prägten meinen Arbeitsalltag. Alkohol war immer verfügbar und ein geschätztes Bindeglied, um mit Kunden in Kontakt zu kommen oder sich zu entspannen. Die Geschäfte liefen gut. In diesem Zeitraum hat sich mein Trinkverhalten gesteigert. Schon bei der Anreise im Flugzeug trank ich und es wurde zu einer immer schlechteren Gewohnheit. Ich kannte keine Grenze. Als ich in den Ruhestand ging, trank ich weiter. Es kam immer wieder zu Eskalationen, bei denen ich Filmrisse hatte und auch gegenüber meiner Frau aggressiv wurde. Ich habe schon darauf gewartet, dass sie das Haus verlässt um Arbeiten zu gehen. Dann habe ich mir erst mal eine Flasche aufgemacht. Erst nach 25 Jahren intensiver Trinkerei erkannte ich, dass ich ein Problem hatte und etwas unternehmen musste.
Gab es begünstigende psychologische Faktoren?
Neben den schlechten Gewohnheiten, die ich auf den Reisen entwickelt habe, konnte ich nur schwer mit der Kritik meiner Frau umgehen. Sobald sie mich auf bestimmte Themen ansprach, habe ich mich zu Unrecht kritisiert gefühlt und dicht gemacht. Dann setzte ich mich in mein Zimmer, schloss die Türe ab und trank ein paar Tage durch. Das belastete mich zunehmend. Zu diesem Zeitpunkt kamen dann auch noch Tabletten ins Spiel. Ich steuerte auf einen Tiefpunkt zu.
Was bedeutete die Alkoholabhängigkeit für Ihre Familie?
Wenn ich trank, mich abschottete und unzuverlässig wurde, war es für meine Frau unerträglich. Es kam zu heftigen Konflikten ohne positive Lösung. Meine Frau konfrontierte mich und sagte: „Entweder du stoppst die Trinkerei oder ich trenne mich von dir“. Das war für mich der Anstoß mein Problem ernst zu nehmen und mich in professionelle Beratung zu begeben.
Was hat Ihnen geholfen und was raten Sie Menschen mit Alkoholproblemen?
Zunächst fingen wir mit Paarberatung an, allerdings ohne Erfolg. Erst als ich in eine Suchtberatungsstelle gegangen bin, dort ein ambulantes Programm durchlaufen habe und danach Mitglied einer Selbsthilfegruppe wurde, konnte ich auf Alkohol verzichten lernen. Erfreulicherweise wurde meine Frau auch in die Gespräche einbezogen und hat dort gelernt, mich besser zu verstehen. Schade, dass ich so lange gewartet habe. Es hat zu lange gedauert, bis ich einsichtig wurde. Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert. Wenn ich jetzt an das Trinken denke oder mir eine Flasche aufmachen will, dann vergegenwärtige ich mir die Konsequenzen. Was würde alles passieren, wenn ich jetzt trinke? Was würde ich verlieren? Was würde ich mir und meiner Frau damit antun? Das hilft mir. Dann bleibe ich stark. Es war gut, dass meine Frau mich konfrontiert hat und mir ein Ultimatum gestellt hat. Nur so bin ich aufgewacht.